Vō, Danh We the People Element #E4, 2011
Kupfer Objektmaß: 200 x 268 x 90 cm Courtesy: Sprüth Magers Berlin/London Foto: Archiv Sammlung Viehof

Text zum Werk

"In seiner monumentalen Arbeit We the people geht es Danh Vō um den Begriff der Freiheit. Die Kupferelemente enstammen einer in China hergestellten originalgetreuen Reproduktion der New Yorker Freiheitsstatue. Mit bewusst gewählten Details, wie der 2 mm dünnen Kupferhaut der Freiheitsstatue, wird die Auseinandersetzung mit der Stabilität und Autonomie angeregt [...]."

Gregor Jansen, in: 10 Jahre Sammlung Rheingold - Orchesterwechsel, Begleitheft zur gleichnamigen Ausstellung in Schloss Dyck in Jüchen 2012, kuratiert von Gregor Jansen, S. 10

Zur Person

Danh Vō
geboren 1975 auf Phu Quoc, Vietnam
lebt und arbeitet in New York


1975 im Vietnam geboren, wuchs Danh Vō in Dänemark auf, nachdem seine Familie im Jahre 1979 auf der Fluch aus Vietnam mit einem selbst gebauten Boot von einem dänischen Frachtschiff gerettet worden war. Vō studierte an der Royal Academy in Kopenhagen und an der Städelschule in Frankfurt und lebte achte Jahre in Berlin. 2007 wurde er mit dem Blauorange-Preis, dem Kunstpreis der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, ausgezeichnet. 2012 erhielt er den Hugo-Boss-Preis. 2009 stellte Danh Vō in der Baseler Kunsthalle aus und war bei zahlreichen Gruppenausstellungen vertreten. 2015 kuratierte der Künstler auf Einladung des französischen Sammlers François Pinault die Ausstellung im ehemaligen Zollgebäude, der Punta della Dogana, am Rande der Biennale Venedig.

"In seinen Objekten, Installationen, Fotografien und Arbeiten auf Papier verbindet Danh Vō persönliche Erfahrungen seiner Kindheit in Vietnam mit der Geschichte seiner Familie, ihrer Flucht nach Europa und Fragen des Kolonialismus, der Migration und der kulturellen Identität. Weitere wichtige Themen seiner Werke sind die Beschäftigung mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen und generell das Hinterfragen normierter Verhaltensweisen sowohl in der Gesellschaft im Allgemeinen als auch im Kunstkontext im Besonderen. Dabei gelingt es ihm immer wieder, Werke von ikonischer Eindringlichkeit zu schaffen, wie beispielsweise seine Kopien der ursprünglichen amerikanischen Flagge mit 13 Sternen - die einst entworfen worden war, um Amerikas Unabhängigkeit von der Kolonialmacht zu feiern, und die Danh Vō mit Goldfarbe auf Karton übertrug-, oder sein bereits erwähntes, auf einen langen Zeitraum angelegtes Projekt des in einzelne Teile zerlegten Nachbaus der Freiheitsstatue aus dünnem Kupfer.
[So] [...] zählte sein aus Waschmaschine, Kühlschrank, Fernseher und Kruzifix zusammengesetztes Werk Oma Totem zu einem der Publikumslieblinge der Gruppenausstellung. Die genannten Gegenstände, die die Großmutter des Künstlers in den 1970er Jahren bei ihrer Ankunft in Deutschland von der Einwanderungsbehörde erhielt, geben nicht nur Auskunft über die Vorstellungen, was zu dieser Zeit aus einer europäischen, westlichen Perspektive als lebensnotwendig angesehen wurde, sie formieren sich in der Art und Weise, wie sie Danh Vō übereinander anordnet, auch zu einer markanten visuellen Metapher kultureller Selbstdefinition. Bezug nehmend auf dieses Werk platzierte Danh Vō an derselben Stelle im KUB, nur ein Stockwerk höher, den Tombstone for Nguyen Thi Ty, ein Bodenrelief aus Marmor und Granit, das Waschmaschine, Kühlschrank und Fernseher dem Titel der Arbeit gemäß in die Form eines Grabsteins überträgt, der von einem Holzkreuz mit Bronze-Christus komplettiert wird. Nach der Überführung der verstorbenen Großmutter von Deutschland in das Familiengrab in Kopenhagen wird diese Arbeit von Danh Vō das Feld der Kunst verlassen und ihre Bestimmung als Grabstein erfüllen.
Immer wieder greift Danh Vō auf seine eigene beziehungsweise die Geschichte seiner Familie zurück und involviert seine unmittelbaren Verwandten, wie beispielsweise seinen Vater Phụng Vō, in die Produktion seiner Werke. Dieser realisiert für ihn unter anderem eine Brief-Edition, für die er handschriftliche Kopien eines Abschiedsbriefes aus dem 19. Jahrhundert anfertigt, den der französische Missionar Jean-Théophane Vénard kurz vor seiner Enthauptung an seinen Vater schrieb. Die Auflagenhöhe der Edition richtet sich nach der Anzahl der Bestellungen und definiert sich erst nach dem Tod von Danh Vōs Vater.
Auch für seine Installation auf der letzten Berlin Biennale bezog sich Danh Vō auf seinen Vater. Er präsentierte als Ausstellungsstücke in Wandvitrinen dessen Rolex-Armbanduhr - erworben von dem Rest des Goldes, mit dem sein Vater die Flucht aus Vietnam finanziert hatte -, sein Dupont-Feuerzeug - erstanden vom ersten in der neuen Heimat verdienten Geld - sowie seinen Siegelring. Alle drei Objekte versinnbildlichen die Sehnsucht nach westlichen Wohlstandsattributen sowie deren globale Reichweite und Präsenz.
Die vermeintliche Attraktion materieller westlicher Werte wird aber im Werk von Danh Vō nicht nur durch diese High-End-Konsumgüter thematisiert. Auch Produkte wie Coca Cola, wie sie in seiner Bregenzer Ausstellung auf dem mit echtem Blattgold bedruckten einfachen Karton zitiert werden, können aus der Sicht des Künstlers als Verlockung und Heilsversprechen verstanden werden. Ähnlich wie früher Märchen oder Heiligengeschichten die Menschen mit der Aussicht zähmten, nach einem demütigen, genügsamen Leben in den Himmel zu gelangen, lenken heute umgekehrt Konsumgüter und Statussymbole oftmals von den eigentlichen gesellschaftlichen und politischen Problemen ab. Danh Vō, der mitunter anstelle von Presse- beziehungsweise Saaltexten lieber den handschriftlich kopierten Text des Märchens »Aschenputtel« verteilen lässt, kann in der Verkehrung der Werte, wie sie in seinen bekannten Blattgold-Pappe-Arbeiten und Assemblagen aus vorgefundenen Objekten zu finden ist, mit Künstlern wie David Hammons oder Félix González-Torres verglichen werden. Diese haben mit ihren einfühlsamen und gesellschaftlich aufgeladenen Werken Kunstgeschichte geschrieben und den eurozentristischen Blick maßgeblich erweitert."

Text zur Ausstellung: Danh Vō - Vô Danh, 21.04. - 24.06.2012, Kunsthaus Bregenz,
http://www.kunsthaus-bregenz.at/html/welcome00.htm?aus_danh_vo.htm