Beuys, Joseph Dürer, ich führe persönlich Baader + Meinhof durch die Dokumenta V, 1972
Hartfaserplatten, Holz, Filz, Fett, Latte Objektmaß: Platten je: 55,2 x 72,5 x 0,3 cm; Höhe 202 cm, Leistenstärke 4 cm Courtesy: Joseph Beuys / VG Bild-Kunst, Bonn 2015 Foto: Nic Tenwiggenhorn / VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Text zum Werk

"Die in mit Fett gefüllten Museumspantoffeln stehenden Baader-Meinhof-Tafeln enstanden durch eine Begegnung zwischen Beuys und dem Aktionskünstler Thomas Peiter auf der documenta 5 1972. Als Dürer verkleidet, hatte Peiter die Pressekonferenz zur Eröffnung der documenta mit einer spontan satirischen Rede unterbrochen. Den an "Dürer" gerichteten Satz auf den Tafeln äußerte Beuys, die Tafeln selbst wurden von Peiter hergestellt. Die bewusste Provokation hatte für Beuys weniger mit einer Sympathie für die damals als RAF-Terroristen gesuchten Andreas Baader und Ulrike Meinhof zu tun als vielmehr damit, auf das fehlgeleitete kreative Potential der beiden hinzuweisen."

Eugen Blume / Catherine Nichols (Hrsg.), in: Beuys. Die Revolution sind wir, Steidl 2008, S. 235

Zur Person

geboren 1921 in Krefeld
gestorben 1989 in Düsseldorf

Joseph Beuys (Joseph Heinrich Beuys) war ein deutscher Aktionskünstler, Zeichner, Bildhauer Kunsttheoretiker sowie seit 1961 Professor für monumentale Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Sein überaus großes Oeuvre, das alle Gattungsgrenzen sprengt, umfasst prozesshafte Kunstaktionen, Rauminstallationen, plastische Werke, Aquarelle, Zeichnungen, Schriften sowie Multiples.
1947 begann Beuys ein Studium der Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf und wechselte nach drei Semestern in die Klasse von Ewald Mataré, dessen Meisterschüler er von 1952 bis 1954 war. In seinem umfangreichen Werk setzte er sich mit Fragen zum Humanismus, der Sozialphilosophie und Anthroposophie auseinander und entwickelte so den "erweiterten Kunstbegriff" sowie die Definition der "sozialen Plastik". Das Kunstkonzept muss seinem Verständnis nach das menschliche Handeln mit einschließen, das auf eine Strukturierung und Formung der Gesellschaft ausgerichtet ist, was auch die Kernfrage nach der veränderten Existenz sowie dem Sinn der Kunst in der Gegenwart umfasst. Der Kunstbegriff geht somit weit über das real existierende Objekt hinaus.

"Über die Werke von Joseph Beuys, über ihn selbst ist viel gesprochen und geschrieben worden. Mehr als über jeden anderen Künstler nach 1945. Seit Jahren ist das Werk Mittelpunkt von Diskussionen. Sobald sich dieser Künstler an einer der zahlreichen internationalen Übersichtsausstellungen der letzten Jahre beteiligte, mündeten die Diskussionen auch fast immer in grundsätzliche Auseinandersetzungen über die Kunst. Der Künstler, der sich dieser Öffentlichkeit gestellt hatte, war eine Instanz geworden. In den [...] Jahren nach dem Tod von Joseph Beuys sind die Diskussionen nicht abgerissen. Im Gegenteil, das Interesse und die Fragen nach der Bedeutung seines Werkes, das seinen Weltruhm begründete, nehmen zu. Man hatte erkannt, dass Joseph Beuys eine singuläre Position in der Kunst verkörperte. Waren seine Werke nicht auch die krassesten aller denkbaren Gegenentwürfe? Joseph Beuys hatte die Kraft, die traditionelle Vorstellung von Kunst in Frage zu stellen und in einen radikal erweiterten Kunstbegriff für eine neue anthropologische Dimension der Kunst einzutreten. Im Zentrum des Denkens dieses Künstlers stand der Mensch - die Arbeit an einer "sozialen Plastik". Bis heute ist dieses Bestehen auf grundsätzlich anderen ethischen Vorstellungen für erneuerte Lebensformen in seiner ganzen Bedeutung für viele immer neu und schwer zu verstehen."

Adriani, Götz/ Bastian, Heiner; in: Joseph Beuys, Skulpturen und Objekte, Hrsg.: Bastian, Heiner; Schirmer/Mosel 1988; S. 7