Schwontkowski, Norbert Der Blinde hört nur den Donner, 2001
Öl, Pigment auf Leinwand 63,3 x 53,5 x 4 cm , 60 x 50 cm © Nachlass Norbert Schwontkowski Courtesy: Contemporary Fine Arts, Berlin Foto: Archiv Sammlung Viehof

Text zum Werk

Auf der kleinformatigen, in einem dunklen fleckigen Grau grundierten Leinwand, bewegt sich ein fast schon zum Strichmännchen stilisierter Mann. Durch Stock und Brille als Blinder gekennzeichnet, läuft er unbeirrt und auf die Bewegung nach vorne konzentriert durch die Bildfläche. Seine graue Kleidung hebt sich kaum vom Hintergrund ab. Die tiefschwarze Wolke, die unheilbringend über ihm schwebt, nimmt er nicht wahr. Ein Blitz, der sich aus ihr entlädt, scheint kurz vor dem Einschlag in seinen Körper zu stehen. Sein Rücken ist erleuchtet, der Zipfel der schwarzen Baskenmütze streckt sich sich dem Blitz grotesk einer Antenne gleich entgegen. Aufgelöst wird die Geschichte nicht, der Mann bleibt zwischen Leben und Tod gefangen.

"Der Blinde hört nur den Donner" lautet der Titel kommentierend. Ist es das Sinnbild einer ausweglosen Situation? Doch muss man sich die Frage stellen: Wenn es kein Entkommen gibt, da es offensichtlich jeglichen Ortes mangelt, der Schutz vor dem Gewitter bieten könnte, ist es nicht schon eine Güte des Schicksals den möglicherweise finalen Blitz und all die Blitze davor nicht kommen zu sehen?

Zur Person

geboren 1949 in Bremen-Blumenthal
gestorben 2013 in Bremen

Norbert Schwontkowski studierte von 1968 bis 1973 Freie Malerei an der Hochschule für Gestaltung in Bremen sowie an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Nach der Lehrtätigkeit an der Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig und der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald trat Schwontkowski 2005 eine Professur an der Hochschule für bildende Künste Hamburg an.

"Norbert Schwontkowski (1949 – 2013) gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der zeitgenössischen figurativen Malerei und Meister der malerischen Verdichtung. Oft in dunklen, erdigen Tönen gehalten, vermitteln seine Bilder das Gefühl einer melancholischen Ernsthaftigkeit, die gleichwohl die Gestalt einer bitter-humorvollen Motivik annehmen kann. Seine poetischen Bildthemen spielen dabei mit dem Surrealen, dem Unbewussten und der Andeutung von Geschichten, die er konsequent nie zu Ende erzählt.
Stets setzt Schwontkowski den Mensch in den Mittelpunkt seiner Bildwelt: Suchend aus dem Fenster schauend, mit einem Auto in Tunnel rasend oder von Stein zu Stein hüpfend - immer in der Gefahr abzugleiten, sich zu verlieren. Er zeigt den Menschen als Suchenden, für dessen Orientierungslosigkeit er schlagende, gelegentlich durch die Malerei der Romantik vorgeprägte Bildformulierungen gefunden hat. Von Ferne erinnern seine taumelnden Gestalten an Casper David Friedrichs Mönch am Meer, doch ist Schwontkowski Schöpfer einer unbestreitbar eigenen Bildwelt, die es zu entschlüsseln gilt."

Quelle: Text zur Ausstellung: NORBERT SCHWONTKOWSKI, SOME OF MY SECRETS, 31.10.2019 - 16.02.2020, Kunstmuseum Bonn