Grosse, Katharina Ohne Titel, 2018
Acryl auf Leinwand 290 x 193 cm © Copyright: Katharina Grosse und VG Bild-Kunst Bonn, 2018 Courtesy: Courtesy of the artist and KÖNIG GALERIE Foto: Jens Ziehe

Text zum Werk

"Im Zentrum der seit 2008 entstandenen Werkgruppe großformatiger Gemälde von Katharina Grosse steht der raumbildende Charakter der Farbe. Breite Farbbahnen sind wie ein Gitternetz über die Leinwand gelegt und werden von neuen Farbspuren polychrom überlagert, wobei die verschiedenen Schichtungen transparent bleiben. Der Farbverlauf wird an einzelnen Stellen im Bild unterbrochen und eröffnet den Blick auf darunterliegende dünnflüssige Farbaufträge und Schraffuren. [...] Die Entgrenzung der Malerei in den dreidimensionalen Raum ist ein verbindendes Element in den Arbeiten Katharina Grosses und Gotthard Graubners, dessen Meisterschülerin die Künstlerin gegen Ende der 1980er Jahre an der Kunstakademie Düsseldorf war. In Graubners monochromen Gemälden wird die Farbe seit den 1950er Jahren als autonomes Bildmittel behandelt. Im Gegensatz jedoch zu der Idee des Farbraumkörpers bei Graubner setzt Grosse die Farbe in einem unmittelbaren Bezug zur umgebenden Architektur. In einigen Raumarbeiten überschreitet die Farbe das Großformat der Leinwand und wird mittels Sprühpistole direkt auf die Leinwand aufgetragen. [...] Die koloristische Feinheit und der Raumbezug ihrer Arbeiten setzten die Gemälde Grosses in ein Verhältnis zur Malereitradition, wie etwa zu den Gemälden Mark Rothkos und William Turners; ebenso zeigt sich in dem Anspruch, die Objektgrenzen zu überwinden und die Kunst in den Raum zu expandieren eine Verwandtschaft zu den Arbeiten bedeutender Vorgängerinnen wie Magdalena Jetelová und Louise Bourgeoise.
Grosses Gemälde machen zugleich den malerischen Prozess selbst sichtbar. Sie entstehen ohne vorgefasstes Konzept, vielmehr entwickeln sich ausgehend von einer Grundidee nach und nach alle malerischen Handlungen, wie in einem allmählich fortschreitenden Gedankenprozess. Der bildnerische Prozess setzt sich im nächsten Werk erneut fort und erweist sich als unabschließbar und unerschöpflich. In der Wahrnehmung des Betrachters wird der Vorgang der Bildgenese durch wechselnde Blickrichtungen und Perspektiven nachvollzogen."

Quelle: Sonja Claser, in: Rendezvous der Maler II - Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf von 1986 bis heute, Düsseldorf 2012, S. 34

Zur Person

geboren 1961 in Freiburg im Breisgau
lebt und arbeitet in Berlin

Katharina Grosse studierte 1982 und 1986 an der Kunstakademie Münster und Düsseldorf bei Norbert Tadeusz und Gotthard Graubner. 1990 schließt sie ihr Studium ab. Zunächst im Neoexpressionismus verhaftet, verlässt Grosse das Feld der figurativen Malerei und wendet sich farbkräftige, mit Überlagerungen arbeitenden Farbkompositionen zu. Ende der 90er Jahre entdeckt die Künstlerin die Farbpistole für sich, was ihr ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Grosse vollzieht eine Loslösung der Malerei. Als Maluntergrund werden bald nicht nur die klassische Leinwand sondern auch Architektur und Objekte verwendet. Großflächige Stoffinstallationen aber auch Schutt- und Geröll-Aufschüttungen nehmen ganze Räume ein und schaffen einen eigenen Kosmos, der in harschem Kontrast zur Umgebung erscheint. Grosses Arbeiten finden sich dabei auch im Außenraum wieder. Die Malerei wird über den bemalten Gegenstand hinaus gedacht. Seit 2007 enstehen Grosses Erd-Arbeiten, in der sie Farbe und Pigmente mischt.